«Orte-Denkmäler-Museen über den II. Weltkrieg -Das Beispiel der Stadt Thessaloniki»
Einleitung
„Wir sollten uns nicht irren: das Bild, das wir über die anderen Völker oder auch über uns selbst haben, hängt unmittelbar mit der Geschichte zusammen, die man uns erzählt hat, als wir Kinder waren. Diese Geschichte prägt uns unser gesamtes Leben lang."
Marc Ferro
Diese Einheit präsentiert Material über Orte, Denkmäler und Museen Thessalonikis, die den II. Weltkrieg thematisieren. Das entsprechende didaktische Szenario in griechischer Sprache umfasst weiteres Material, mit dem Ziel, dass es im Unterricht eingesetzt wird und die Schülerinnen und Schüler die Rolle des Forschers übernehmen. Das ausgewählte Material stammt aus verschiedenen primären und sekundären Quellen und ist auf die Rekonstruktion der Geschichte ausgerichtet, auch aus einer subjektiven Optik heraus, die der Geschichte ein menschliches Antlitz verleiht. Somit lassen sich die schriftlichen und mündlichen Zeugenaussagen mit historischen Texten, Fotos und anderem Material jener Zeit kombinieren. Durch die „materiellen Ereignisse", wie der Historiker Todorov die unterschiedlichen Quellensorten nennt, und die „Erinnerungsspuren", die sich im Gedächtnis der Menschen niedergeschlagen haben, die diese Ereignisse erlebt haben, wird der Versuch gestaltet, von den vielen möglichen Interpretationsansätzen der Geschichte einen Aspekt zu beleuchten.
Thessaloniki wird als ein charakteristische Beispiel einer Stadt gewählt, die als erste die deutsche Invasion und Besatzung erlebte, die ersten Widerstandskerne schuf, die Inhaftierung und die Hinrichtungen von Widerständlern im Lager Pavlou Mela und im Gefängnis Eptapyrgion erlebte, aber auch einer großen Hungersnot und dem Schwarzmarkt ausgesetzt war. Thessaloniki wird aufgrund seiner größten jüdischen Gemeinde in Griechenland gewählt, die am Eleftheria-Platz gedemütigt worden ist und zahlreiche Schläge erlitten hat, wie die Zerstörung ihres Friedhofs, der sich „unter" dem heutigen Campus der Aristoteles-Universität befand, bevor sie zu ihrer Vernichtung geführt worden ist.
In der heutigen Stadt existieren noch einige historische Orte, ohne dass aber ihre spezielle Geschichte hervorgehoben wird, während an anderen Orten durch kürzlich aufgestellte Denkmäler ein minimaler Verweis vorhanden ist. Darüber hinaus kann man über die Narration des Jüdischen Museums und die Sammlungen des Kriegsmuseums die Rekonstruktion der Geschichte jener Zeit unternehmen.
Die Gedenkorte aus der Besatzungszeit sind in Griechenland nicht besonders erforscht, was weitgehend auf den Bürgerkrieg zurückzuführen ist, der nach der Besatzung erfolgte. Offensichtlich gründet die kollektive historische Erinnerung auf noch offenliegende nationale Wunden und speist sich immer noch aus Vergessen und Verschweigen. Die Aufgabe des Historikers aber auch des Lehrers besteht daher nicht darin, die Gestaltung der Erinnerung dem Glück bzw. politischen und anderen Zweckmäßigkeiten zu überlassen, sondern die vielfältigen Aspekte des Gedächtnisses zu veranschaulichen, indem unterschiedliche Interpretationsansätze nachgezeichnet und kritisch erörtert werden. Wir hoffen, dass dieses Material dazu einen Anstoß gibt
Inhalt
Inhaftierungsorte
Lager „Pavlou Mela"
Allgemeine Informationen
„Ende des 19. Jhs. werden in Thessaloniki umfangreiche Kasernen in verschiedenen Freiräumen außerhalb der Stadtmauer eingerichtet. Eine dieser Kasernen ist die zwischen 1890 und 1905 gebaute Artilleriekaserne im Gebiet des Lagers Pavlou Mela. [...]
Während der deutschen Besatzung diente dieses Lager als Gefängnis und eine Art Vorkammer für Hinrichtungen. Seine Geschichte verband sich mit dem gegenüberliegenden Hügel. [...] Der Hügel wurde Anfang der 1960er Jahre geebnet. An seinen Hängen mussten sich die auf die Hinrichtung Wartenden aufstellen. Dort wurde inoffiziell auch ein Friedhof für die Hingerichteten von ihren Verwandten eingerichtet. (Informationen aus dem Archiv von Spiros Lasaridis, Lehrer und Stadtrat von Stavroupolis, einer Stadtgemeinde im Großraum Thessaloniki, in der sich das Lager befindet).
Anhand von Zeugenaussagen, die der zum Tode verurteilte Leonidas Giasimakopoulos in sein Tagebuch eingetragen hat, in dem das Leben im Lager während der Besatzung ausführlich beschrieben wird, lässt sich bestätigen, dass in einem naheliegenden Gebäude die Inhaftierten lebten, die in die Konzentrationslager Deutschlands geführt werden sollten."
Evagelia Kampouri, stellvertretende Leiterin im Amt für zeitgenössische Denkmäler Zentralmakedoniens. Ehemalige Militäranlagen als historische Orte. Der Fall der Lager P. Mela und Kodra in Thessaloniki. Zugänglich (07.03.2015) unter portal.tee.gr
Schriftliches Zeugnis der Geisel Leonidas Giasimakopoulos
Freitag, den 2.7.43
Ich bin schlecht gelaunt, wachte um 4.30 auf, nach einem unangenehmen kummervollen Traum. Um 17 Uhr fand ein überaus tragisches Ereignis statt. Drei Fahrzeuge mit Deutschen der Militärpolizei, die ihre Dienstzeichen (Hufe) trugen, sind angekommen und haben 32 als Kommunisten Verurteilte zur Hinrichtung abgeholt. Ihre Sachen wurden registriert und von der Leitungsstelle entgegengenommen. Wir erfuhren, dass sich die Gesamtzahl der Hinzurichtenden auf 50 erhöhte, da noch 12 aus dem deutschen Gefängnis 510 und 6 aus Eptapyrgion abgeholt wurden. Diese Hinrichtung fand als Sühne für die Ermordung des deutschen Kommandanten in Naoussa statt, die gestern geschehen sein soll. [...]
Dienstag, den 27.7.43
Die Einschränkungsmaßnahmen dauerten noch den ganzen Tag. Uns wurde lediglich am Vormittag erlaubt, uns 5 Minuten lang zu waschen. Mittags wurde das Essen schnell verteilt. Wir mussten auf unseren Spaziergang verzichten. Die Wachen haben sich verdoppelt. Und all dies ohne den Grund zu erfahren. Vormittags um 7 wurden auf dem nur 70 Meter entfernten und an der öffentlichen Langada-Straße liegenden Hügel 6 vom Militärgericht zum Tode Verurteilte hingerichtet. Gestern soll die ebenfalls Verurteilte und bis vor kurzem hier Gefangene Papadopoulou enthauptet worden sein. [...]
Donnerstag, den 7.10.43
[...] Spät am Abend wurde im Lager die Marktlage bekannt. Sämtliche lebensnotwendige Güter sind versteckt worden. Ihre Preise, ihre Nennpreise, sind in unglaubliche Höhe getrieben. Z.B. Brot 6.500 Drachmen, Öl 60.000 Drachmen, weißer Magerkäse 48.000, Hartkäse 80.000, Butter 120.000, Fleisch 22.000, Kohl 1.500, Tomaten 4.000, Milch 5.000, Weintrauben 5.000, Äpfel 5.000 usw. Das schlimmste dabei ist, dass man nirgendwo Lebensmittel finden kann. Die Menschen werden unruhig. Wenn dies so weitergeht, besteht die Gefahr, dass es zu Ausschreitungen gegen diejenigen kommt, welche die lebensnotwendigen Güter versteckt haben. Somit wird das Leben der Armen problematisch1. Lieber Gott, leg Deine Hand darauf und rette Deine Welt!
1 Während der Besatzungszeit wurden die Griechen nicht nur mit der grausamen Gewalt der Besatzer konfrontiert sondern auch mit den Konzentrationslagern, der Geiselnahme, den Foltern und den Hinrichtungen sowie mit der Zerstörung der griechischen Wirtschaft, der Hungersnot und dem Elend.
Kaftantzis, Giorgos (1999) Das Nazi-Lager Pavlou Mela Thessaloniki, wie es eine Geisel, Leonidas Giasimakopoulos, erlebt und in seinem Tagebuch beschreibt. Thessaloniki: Paratiritis, S. 29-30, 46-47, 60, 85-87, 106-107, 152-153.
Bild 1: Eines der Gebäude des Lagers Pavlou Mela heute. Aus: http://www.avatonpress.gr/2014/11/blog-post_731.html
Nationaler Widerstand
Bild 1: Das Denkmal des Nationalen Widerstands an der Promenade in der Höhe des Weißen Turms in Thessaloniki. Aus: http://vagelismoustakas.com/en
Bild 2: Radierung von Vasso Katraki aus einer illegalen Broschüre der Nationalen Befreiungsfront EAM. Aus https://mauroflight.wordpress.com/2011/09/01/
Historische Texte
Besatzung und Widerstand, 1941-1944
„Der Widerstand beschränkte sich nicht nur auf die Organisierung eines Waffenkampfes. Besonders wertvoll war z.B. die Bedeutung der langjährigen Herausgabe jeglichen illegalen Blattes, das sich gegen den externen Feind wandte. Es war kein Zufall, dass die Drucker, die Autoren und die Verteiler der illegalen Presse mit ihrer Freiheit oder ihrem Leben zahlen mussten, wenn sie in die Hände der Besatzungsmächte fielen.
Die „illegal" gedruckten Texte, periodisch oder nicht, boten der nationalen Sache wesentliche Dienste, indem sie die Moral der „versklavten Sieger" stärkten und eventuelle Unentschlossene davon abbrachten, sich von der Propaganda der Kollaborateure verleitet zu lassen. Sie forderten die Menschen auf, aus bestimmten Anlässen und an Gedenktagen, wie am 25. März und am 28. Oktober, auf die eine oder andere Weise ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig dienten sie als Informationsquelle für die Mehrheit der Bevölkerung, die aufgrund der deutsch-italienischen Zensur der „legalen" Presse und der Radiosender des Landes keinen Zugang zu freien Nachrichten hatte."
Fleischer, Hagen (2000) Besatzung und Widerstand, 1941-1944" in Geschichte der Griechischen Nation, Band XVI. Athen: Ekdotiki Athinon, S. 26. Aus: http://www.greek-language.gr/Resources/literature/education/greek_history/index.html#prettyPhoto
Literatur - Autobiographischer Text
BITTERE FREIHEIT
Die Deutschen gehen
Am 12. Oktober gleich nach der Beisetzung der Partisanen habe ich eine Chance gefunden und bin mit einem Karren von Gipsochori nach Thessaloniki gefahren. Als ich nach einer sehr gefährlichen Fahrt voller Unterbrechungen in Eptalofos ankam, besuchte ich eine Freundin, die der EPON angehörte. Dort habe ich mit der Organisation Kontakt aufgenommen und sie schickten mich zusammen mit einer jungen Frau, die wir Mandalena nannten, auf ein Landgut außerhalb von Sykies. Wie in allen umherliegenden Gebieten, versammelten sich dort bereits die ersten ELAS-Gruppen der Stadt Thessaloniki, die bereit war, eine reibungslose Befreiung der Stadt in die Wege zu leiten.
Mein Auftrag war es, Informationen und Notizzettel in andere Gebiete und oft ins Zentrum von Thessaloniki zu überbringen. (...)
Im Laufe der Tage füllten sich allmählich die nahegelegenen Berge mit jungen Menschen, die ihre Dienste der ELAS boten, welche inzwischen immer weiter in die Stadtgebiete vordrang.
Ab dem 22. Oktober war das gesamte Volk in Thessaloniki auf den Beinen.
Am 26. Oktober, am Tag des Schutzheiligen der Stadt, des Heiligen Dimitrios, der mit dem Tag der Stadtbefreiung von den Türken zusammenfällt, erlebte Thessaloniki Tage einer einmaligen Begeisterung. Niemand mehr hatte Angst vor den 35.000 Deutschen, die sich im unteren Stadtteil versammelt hatten.
An diesem Tag hatte die örtliche ELAS alle Stadtgebiete unter ihre Kontrolle gebracht, alle Vororte und die Altstadt, wo man die Partisanenlieder Tag und Nacht hören konnte. Inzwischen hatten sich die Deutschen auf ihren Rückzug vorbereitet, nachdem sie Sprengstoff oder Minen in Industrieanlagen oder an existenziellen Knotenpunkten der Infrastruktur verlegt hatten. Und während ihre Armee Thessaloniki verlies, begannen ihre Spezialtruppen mit den Sprengungen. (...)
Zu den Sprengungen gehörte auch jene der Strombeleuchtungsfabrik, die sich in der Agiou-Dimitriou-Straße befand, neben dem Gemüsemarkt. Die Reservetruppe von ELAS hatte den Befehl bekommen zu retten was sie konnte, und um jeden Preis die zwei Kraftwerke. Nun, als die Deutschen auf einem Motorrad mit Beiwagen in die Richtung der Ilektriki-Fabrik in Agiou-Dimitriou fuhren, schossen auf sie die ELAS-Partisanen, die bis dorthin vorgedrungen waren. Das Ergebnis war, dass sie den einen töteten und die Anderen verhafteten. Die Sprengung wurde vereitelt und binnen weniger Minuten gab es nichts, das auf das Geschehen hinwies, denn die Einwohner strömten aus ihren Wohnungen, um mit Wassereimern und Besen die Straße zu reinigen. (...)
In der Egnatia-Straße, vor dem Dikastirion-Platz, warteten auf sie einige Panzerkampfwagen und vier Panzer mit ihren Mündungen in Richtung Altstadt gelenkt. Sie schlossen sich ihnen an und verließen Thessaloniki endgültig. Sie waren die Letzten.
Ihre Nachhut, 60 Panzer, viele Panzerkampfwagen, Hunderte von Wagen mit Soldaten sowie mit Militär überfüllte Züge, hatten bereits in der Nacht begonnen die Stadt zu verlassen, allerdings nicht so stolz, wie sie einst gekommen waren. Sie marschierten mit ihrer gesamten Bewaffnung gen Bahnhof und zogen Schubkarren mit Vorräten für den Weg hinter sich her. Ohne geordnete Formation, eher wie eine herumziehende Karawane, sie hatten sich ihre leichten Kanonen umgebunden und zogen sie wie Maulesel hinter sich her. Wer dieses Spektakel beobachten konnte, hat die größte Befriedigung seines Lebens bekommen.
Drosaki, Eleftheria (1985) In Thessaloniki: Vom Krieg, der Besatzung und dem Widerstand. Athen: Odysseas, S. 122-123, 125-127.
Orte der jüdischen Erinnerung
Eleftheria-Platz - Jüdischer Friedhof
Historische Texte
Die Deutschen marschierten am 9.4.1941 in Thessaloniki ein. Zwei Tage später stellten sie sämtliche jüdische Zeitungen ein und am 15.4.1941 verhafteten sie die Mitglieder des Gemeindevorstands ohne eine konkrete Anklage. (...)
Im Jahr 1941 wurden viele Juden, darunter auch Angehörige des Amerikanischen Konsulats ermordet. Obwohl sich diese Ereignisse drohend im Vorfeld abgezeichnet hatten, sind während der ersten 14 Monate der deutschen Besatzung keine Repressionsmaßnahmen gegen die Juden getroffen worden. (...)
Der harte Winter von 1941 war aufgrund der Kriegsstrapazen besonders schwierig. In diesem Zeitraum sind 600 Juden an Hunger gestorben, obwohl die alte jüdische Wohltätigkeitsorganisation Matanot Laevionim und das Rote Kreuz täglich 5.000 Portionen und einen viertel Liter Milch an 1.700 Kinder verteilten. Diese Tatsache zeigt, dass die Juden relativ ruhig lebten und ihre Verfolgung noch nicht begonnen hatte, obwohl ihre Aktivitäten von der Gestapo streng beobachtet wurden. Dies war zum Teil auf das Vertrauen zurückzuführen, das die Deutschen gegenüber General Tsolakoglou pflegten, der öffentlich erklärt hatte, dass es kein jüdisches Problem in Griechenland gab und die griechischen Juden, die die gleichen Rechte und Verpflichtungen wie die übrigen Griechen hatten, ihren Patriotismus während des Krieges unter Beweis gestellt hatten. Die überaus klaren Erklärungen trösteten ihr Selbstbewusstsein und ihren Optimismus.
Der obige Kontext erklärt eventuell sowohl ihre Überraschung bezüglich des Befehls vom 11.7.42, der sie aufforderte, sich am Eleftheria-Platz zu versammeln als auch die hohe Anzahl der Versammelten. Dabei erfuhr selbst der Gemeindevorsteher, der mit den Deutschen zusammenarbeitete, den Befehl aus den Zeitungen. Die 9.000 Juden, die dem Befehl folgten, wurden zur Zwangsarbeit in Sumpfgebiete geschickt, in denen sie unter der Aufsicht griechischer Offiziere Flughäfen, Straßen und ähnliche Infrastrukturanlagen im gesamten Griechenland bauen sollten. Innerhalb eines einzigen Monats verschlechterte sich der Zustand der Häftlinge so sehr, dass Müller, der größte Bauherr der Deutschen in Griechenland, den Gemeindevorsteher befahl, einen Ausschuss aus Mitgliedern der Gemeindeverwaltung zusammenzusetzen, der die Verantwortung für die medizinische Pflege der Arbeiter tragen sollte, da ihre Sterblichkeitsrate besonders hoch war. (...)
Anschließend sind weitere 9.000 Juden angeworben worden, während die Gemeinde es für einen großen Erfolg hielt, dass die Kontrolle der Anwerbungen nun in ihren Händen lag. Die Summe für die Befreiung der Angeworbenen war auf 1 Million Drachmen festgelegt worden. (...)
Im Laufe der Zeit verschlechterte sich der Zustand der Arbeiter so sehr, dass Dr. Merten der Gemeinde vorschlug, ihm bis Dezember 1942 2 Milliarden Drachmen Lösegeld zu bezahlen. Doch plötzlich und bevor die Frist auslief, erhöhte Merten den Betrag auf 3,5 Milliarden und bot dabei die Befreiung aller jüdischen Arbeiter an. Da aber die Gemeinde diesen Betrag nicht zusammenstellen konnte, verlangte Merten 2,5 Milliarden und erklärte, dass er statt der weiteren notwendigen einer Milliarde den Friedhof zerstören würde, um somit dem Baubedarf der deutschen Armee nachzukommen. Offensichtlich ohne um die Zustimmung der jüdischen Gemeinde zu bitten, zerstörten Arbeiter der Stadt unter der Beaufsichtigung der Deutschen am 6. Dezember 1942 einen der größten und eventuell den ältesten jüdischen Friedhof in Europa mit einer halben Million Gräber. Die Deutschen scheinen sich dabei bewusst gewesen zu sein, dass sie somit das wichtigste Zeugnis der kontinuierlichen und jahrhundertelangen Präsenz der Juden in Griechenland verschwinden ließen. Jüdische Grabsteine von einzigartigem archäologischem und traditionellem Wert wurden zu Bauzwecken verwendet, u.a. für den Bau eines Schwimmbads für die Unterhaltung der Deutschen. Obwohl jedoch die Zerstörung des Friedhofs ein tragisches Ereignis für alle Juden gewesen war, bestätigte es ihre Ansicht, dass sie gegen Geld die ihnen von den Deutschen verursachten Probleme lösen könnten. Was sie allerdings nicht hätten wissen können, war, dass Eichmann bereits seit dem Sommer 1942 ihre Vernichtung organisiert hatte.
Molho, Rena (1994), „Die jüdische Präsenz in Thessaloniki", O Paratiritis, H. 25-26, S. 36-38.
Literatur - Autobiographischer Text
Die Vernichtung der Juden
(...) Die Deutschen marschierten am 9.April 1941 in Thessaloniki ein. Zu ihren ersten Maßnahmen zählte die Einstellung der jüdischen Zeitungen „Progrès" und „Indépendant" sowie die auf Ladino erschienene „Messagero". Diese Maßnahme erregte keine besondere Aufmerksamkeit, da die griechischen Zeitungen „Makedonia", „Fos" und „Nea Alithia" auch eingestellt wurden. Sie wurden alle durch „Nea Evropi" ersetzt, ein unerträgliches Hitler-Blatt, das zum Glück aus lediglich zwei Seiten bestand. Dann begannen sie mit der Beschlagnahmung von Wohnungen, allerdings nicht nur der jüdischen. Der Unterschied lag allerdings darin, dass bei den Juden im Falle einer Beschlagnahme, es ihnen nicht erlaubt war, ihr Habe aus dem Haus mitzunehmen.
Am Samstag, dem 18. Juli 1942, um 8 Uhr morgens, lassen sie alle jüdischen Männer, im Alter von 18 bis 45 Jahren, auf dem Eleftheria-Platz antreten, an dem überall Maschinengewehre aufgestellt sind. Sie lassen sie dort ohne irgendeine Begründung stehen, der Sonne ausgesetzt, unbedeckt und durstig, bis 2 Uhr am späten Mittag. Sollte es jemand wagen sich hinzusetzen, wird er auf schlimme Weise schikaniert. In den nächsten Tagen, als man sie wieder antreten ließ, stellte sich heraus, dass man sie für Zwangsarbeiten registrieren wollte, im Gegensatz zum ersten Tag, an dem sie gedemütigt wurden, und ihnen jegliche Information vorgehalten wurde. Dies verbreitete sich sehr schnell in der Stadt. 6000 Juden sind in die Zwangsarbeit geschickt worden und viele von ihnen sind niemals zurückgekehrt. Die meisten aber wurden davon befreit, nachdem die Gemeinde astronomische Summen gezahlt hatte. Der große Regulator des Lebens und des Schicksals der Juden ist zu jener Zeit der große Doktor Maximilian Merten, ein Kriegsberater, der die Dreistigkeit hatte, Griechenland nach Beendigung des Krieges zu besuchen, und dann durch die Enthüllungen einiger seiner Kontakte fast die Regierung zu stürzen. (...)
1943 ist das schwarze Jahr. Am 6. Februar, an einem Samstag, tritt in Saloniki Dieter Wisliceny an, Leiter eines fünfköpfigen SD-Ausschusses. „Wahrhafte Monster" wird im Buch notiert. Das sind die, die zusammen mit Merten, dem „Doktor", die Entführung der Juden zwecks ihrer Vernichtung organisieren werden.
In einem Treffen beschließen sie, ohne weitere Verzögerung die Nürnberger Gesetze einzuführen: Die Juden mussten den Davidstern tragen. Sie mussten ihre Geschäfte und Häuser markieren. Sie mussten Ghettos einrichten, also Gebiete, die nur von Juden bewohnt wurden. (...)
Ioannou, Giorgos (1980), Unser eigenes Blut. Athen: Kedros, S. 51-69.
Bild 1: Der „Schwarze Samstag", 11. Juli 1942. Die Juden werden öffentlich gedemütigt, indem sie gezwungen werden, während ihrer Registrierung Turnübungen am Eleftheria-Platz auszuführen. © Bundesarchiv.
Bild 2: Ruinen des Alten Jüdischen Friedhofs, Sommer 1943, Thessaloniki, Archiv Yad Vashem.
Bild 3: Die Gedenkstätte an den Holocaust, die an die griechischen Juden Thessalonikis erinnert, die den nationalsozialistischen Todeslager zum Opfer fielen, befindet sich am Eleftheria-Platz, wohin sie 2006 transportiert wurde.
Bild 4: Die thematische Einheit zum Jüdischen Friedhof im Jüdischen Museum Thessaloniki enthält wenige Marmorplatten, die gerettet wurden, sowie Fotos aus der Zeit.
Bild 5: Die im November 2014 enthüllte Gedenkstätte auf dem Campus der Aristoteles Universität Thessaloniki zur Erinnerung an den Alten Jüdischen Friedhof.